– Wie geht das? Was ist damit gemeint?
Achtsam zu sein bedeutet, den gegenwärtigen Moment präsent und wach wahrzunehmen, aber mit einer akzeptierenden Haltung, also ohne zu bewerten.
Das ist nicht so einfach. Denn das menschliche Gehirn analysiert und urteilt extrem schnell. Diese Fähigkeit dient seit Urzeiten dem Überleben. Sie ist ein wichtiger Grund für den evolutionären Erfolg der Gattung Mensch.
Was das Gehirn mit Stress zu tun hat
In unserer modernen, beschleunigten Welt kommt das Steinzeit-Gehirn des Menschen jedoch oft nicht mehr richtig zur Ruhe. Wir erleben heute in vergleichsweise sicherer Umgebung einen permanenten Mikro-Stress. Zahlreiche Reize, Möglichkeiten, Alltagsanforderungen, Zeitdruck halten uns auf Dauertrab. Wir haben die To-do-Liste im Hinterkopf, stets mit dem Gefühl, nicht alles zu schaffen oder womöglich nicht gut genug zu sein.
Viele Menschen leiden unter dieser Situation, haben das Gefühl, im Hamsterrad zu stecken, das Leben gar nicht richtig genießen zu können. Manch einer wird stresskrank.
Wie Achtsamkeitstraining den stressigen Alltag verändert
Achtsam zu sein hilft dabei, sich einen gesunden Abstand zur Hektik verschaffen zu können und ebenso zu den eigenen, automatischen Handlungsimpulsen. Etwa dem Drang, immer noch schneller zu arbeiten, wenn sich die Aufgaben bereits türmen.
Wer Achtsamkeit übt, kommt im Alltag häufiger in einen Modus des heiteren, gelassenen Seins. Er kann den Modus des ständigen Planens und Machens leichter verlassen und zu sich kommen.
Er erlebt den Augenblick bewusster und kann sich besser auf persönliche Prioritäten und Bedürfnisse besinnen. Und er registiert zwischendurch eher mal das Schöne im Leben – einen Duft, Vogelgesang, eine freundliche Begegnung – all das, was das urzeitlich auf Gefahrenerkennung spezialisierte Gehirn unter Stress einfach ausblendet.
Die Fähigkeit zur Achtsamkeit liegt in jedem Menschen; sie gerät in unserer getakteten Welt nur leicht aus dem Blick. Sie lässt sich immer neu lernen und lebenslang verfeinern.
Achtsam sein - wie man das üben kann
Achtsamkeit lässt sich auf zahlreiche Arten üben: in der Sitzmeditation, im Gehen, in Bewegung, mit leichten Dehnübungen aus dem Yoga, im Liegen. All diese Formen werden im MBSR-Kurs angeboten und gelernt.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die Betrachtung des Atems, weil das Gehirn für die Spanne eines Atemzugs gut in der Gegenwart verweilen kann.
Die Bereicherung des Lebens durch eine achtsame Haltung stellt sich allerdings erst durch regelmäßiges Üben ein. Es ist nicht nötig, das Konzept Achtsamkeit intellektuell zu durchdringen, man braucht auch nicht immerzu Spaß am Üben zu haben, sondern einfach nur: weiterzuüben.
Es geht letztlich darum, die Erfahrungen, die man beim Meditieren macht, in den Alltag zu übertragen, die momentanen Körperempfindungen, Gefühle und Gedanken aufmerksam und akzeptierend wahrzunehmen: Bereits morgens unter der Dusche, auf dem Weg zur Arbeit, im Job, im Gespräch mit anderen, beim Kochen oder Aufräumen. Auch das wird im MBSR-Kurs geübt.
Woher stammen diese Ideen und Methoden?
Der Erfinder des MBSR, Jon Kabat-Zinn hat sich vor allem von östlichen Meditationstraditionen inspirieren lassen, dem Zen, dem Vipassana und dem Hatha-Yoga. Das Besondere an seiner Methode: Er hat die Übungen aus ihrem weltanschaulichen Kontext gelöst und sie auf ihren praktischen Kern reduziert. So hat er sie für den Westen leichter zugänglich gemacht. Seine Methode wird heute weltweit gelehrt und erfolgreich angewendet.